In der Krise lernst du am meisten!
Eine liebe Freundin hat, wenn man ehrlich ist, einen Großteil des Sommer damit verbracht, sich mit anderen auf Facebook herumzustreiten. Gründe dafür gab es 2020 sicher genug. Erst die Impf-Diskussion, dann Corona. Mit Donald Trump war immer etwas los, dazu all die kurzzeitigen Aufreger – Waldbrände in Brasilien, Brexit in England, Skandale um diesen und jenen Prominenten. Eines Tages aber war es genug: Sie merkte, wie sie das ärgerte und erschöpfte, wie wenig Geduld sie damit auch für ihren Mann und ihre Kinder hatte. Vor allem aber, wie sinnlos diese Diskussionen im Grunde waren. Völlig verschwendete Zeit!
Seitdem hat sie ihre Zeit auf Social Media begrenzt und schaut nur noch gelegentlich rein, um nicht sofort wieder ein bis zwei Stunden pro Tag damit zu verlieren. Nur noch manchmal ein Kommentar, häufig aber eher ein aufmunterndes Wort oder eine neugierige Nachfrage. Wenn im Internet, dann lieber für eine sachliche Recherche oder Information. Sie fühlt sich seitdem besser, hat vor allem mehr Zeit. Für sich selbst, die Familie und ein neues Hobby, sie züchtet jetzt Kakteen. Sie probiert, da Restaurantbesuche schwieriger geworden sind, auch häufiger neue Kochrezepte aus, regelmäßig gemeinsam mit ihrem Mann.
In der Krise lernst du viel dazu
2020 war für die meisten kein angenehmes, aber ein lehrreiches Jahr. In einer Krise lernst du dich selbst kennen – deine Schwächen, vor allem aber deine Werte und Stärken. Wer finanziell immer sehr knapp dran war, hat auf einmal merken müssen, dass es so nicht weitergeht. Wessen Beruf oder Geschäftsidee nicht besonders krisenfest war, steht eventuell vor einer erzwungenen Neuorientierung. Im privaten Bereich: Wie stabil und zuverlässig ist meine Beziehung, wie gut haben wir unser Familienleben organisiert, was habe ich für Freunde – was tun und wie sprechen wir miteinander?
„Wenn wir müssen, geht erstaunlich viel, weil wir uns nicht mehr verzetteln. Wir erkennen klarer als im normalen Alltag, wenn alles reibungslos läuft, was wirklich wichtig ist“, heißt es in „Ich mach da nicht mehr mit” (S. 179) zu diesem Thema. „Das ist auch die größte Chance jeder Krise, auch wenn man das oft erst im Rückblick wahrnimmt: neu zu sehen, wer und was Priorität hat, also entscheidend für das eigene Leben ist. So schmerzhaft eine Krise also auch ist und so sehr man sie vermeiden will, hat sie doch immer ihren Wert: Sie zeigt uns mit absoluter Klarheit auf, was wir können und was wir wirklich wollen.”
Entscheide, was dir gut tut
Oft müssen das nicht einmal gewaltige praktische Änderungen sein. „Ich habe genug von der ewigen Negativität”, höre ich oft. „Immer nur jammern, sich beklagen und andere auf eine ziemlich fiese Art angreifen – das muss ich nicht mehr haben!” Warum solltest du dir auch das Leben selbst unnötig unangenehm machen? Auf Social Media kann man die nervigsten Kontakte stummschalten bzw. nicht mehr abonnieren, in schweren Fälle ganz entfernen. Bei Direktnachrichten, Chats und Anrufen bleibt manchmal nur ein liebevolles, aber offenes Wort: „Wir machen jetzt mal eine Pause, du bist außer Kontrolle.”
Erlaubt ist das alles. Es ist dein Leben, und du entscheidest, was ein Teil davon sein soll und wovon du zukünftig weniger möchtest. Wer viel Negativität – Kritik, Häme, Spott – haben will, darf das ebenso wie jemand, der sich mehr Positivität – Ermutigung, Lob, Spaß – wünscht. Das ist nicht einmal eine moralische Frage. Solche Entscheidungen haben Einfluß auf deine Lebensqualität und deine Beziehungen, wie sehr du also deinen Alltag genießt, auch wenn die Umstände einmal nicht ideal sind. Wann diese Krise endet, kann uns leider keiner sagen. Wie wir persönlich damit umgehen, können wir aber zu einem großen Teil selbst beeinflussen.