Du hast immer die volle Kontrolle!
Manche gehen ziemlich unlogisch mit unverschämten Menschen in ihrem Umfeld um. Da haben sie hundertmal Ja zu immer neuen Wünschen und Forderungen gesagt und wundern sich, dass sie ständig wiederkommen. Sätze wie „Jetzt reicht’s aber” oder „Ich habe langsam wirklich genug” scheinen überhaupt nicht zu beeindrucken, wenn man am Ende doch das Gewünschte tut. Der Einzige, er sich darüber aufregt, ist man selbst! Du erkennst natürlich das Dilemma: So lange man tut, was andere verlangen, geht das immer so weiter. Vielleicht hast du bei solchen Fällen schon die verschiedensten Taktiken durchprobiert, aber keine hat wirklich geholfen.
Eine ehemalige Kollegin beklagte sich kürzlich, dass ihre erwachsene Tochter – inzwischen mehr als 30 Jahre alt – sie noch immer regelmäßig nach Geld fragt. „Ich war selbst immer sparsam, aber sie überhaupt nicht”, meinte die frustrierte Mama. „Sie hat immer das neueste Handy, geht ständig shoppen, hat natürlich ein Netflix-Abo und spart auch nicht beim Ausgehen. Aber wenn mal eine größere Rechnung kommt, zuletzt für die Reparatur der Waschmaschine, ist kein Geld da. Dann darf ich wieder einspringen!” Trotz allem Klagens tat sie das aber auch jedes Mal aufs Neue. Auf ihre Hilfe war ebenso Verlass wie darauf, dass ihre Tochter bald wieder fragte.
Alle psychologischen Tricks im Einsatz
Natürlich fällt jedem nach einiger Zeit auf, dass diese Hilfe völlig einseitig ist und nie aufhört. Aber einen Bettel-Profi wird man mit ein wenig Gegrummel nicht los. „Nur noch diesmal”, heißt das Versprechen dann nur. „Das nächste Mal kriege ich das allein hin, versprochen!” Wenn es dann doch wieder so weit ist, hörst du vielleicht Appelle an dein Gewissen: „Du kannst mich doch jetzt nicht hängen lassen!” Vorwürfe: „Andere sind nicht so kleinkariert und egoistisch!” Oder unverschämt den Spieß umdrehen: „Wieso geht es immer nur an dich? Das finde ich ziemlich egoistisch!” Kurz: Alle psychologischen Tricks kommen zum Einsatz, um dich weichzuklopfen.
„Protestierst du genervt, wird das überhört. Sagst du, dass du schon selbst genug zu tun hast, wird das als Nebensache abgetan”, heißt es in meinem Buch (S. 41) über dieses Problem. „Am Ende gibst du unvermeidbar frustriert auf, in der falschen Hoffnung, damit nun endlich deine Ruhe zu haben – bis zum nächsten ‘Ach, kannst du nicht mal …?’” Man stellt irgendwann ernüchtert fest: Halbherziges Abwehren funktioniert bei den bewusst Unverschämten überhaupt nicht. Sie sind routiniert darin, sich zu holen, was sie wollen. Und wissen: Die meisten Menschen reden zwar, regen sich auf und schimpfen – handeln am Ende aber dann doch nicht.
Zum ausgenutzt werden gehören aber immer zwei. Einer, der es probiert, und einer, der mitmacht. Du kannst andere nicht davon abhalten, dich um Gefallen zu bitten. Dich zu fragen, ob du nicht „einmal” ein Problem löst, das dich eigentlich gar nichts angehen müsste. Und danach immer wieder, so lange es geht. Vielleicht sogar, dich subtil oder offen unter Druck zu setzen. Aber du hast gleichzeitig immer die volle Kontrolle darüber, was du mitmachst und wo für dich Schluss ist. Du darfst immer Nein sagen, ganz ohne schlechtes Gewissen. Hilf gern – aber freiwillig, zeitlich begrenzt und innerhalb deiner Ressourcen. Sonst brauchst du selbst bald Hilfe.
Wenn du merkst, dass jemand seine psychologischen Tricks bei dir anwendet, brauchst du ihm das nicht unbedingt übelnehmen. Es ist zwar nicht die feine Art, aber auch nicht verboten. Wichtiger ist, dass du dabei etwas über dich lernst: Was anderen Macht über dich gibt. Glaubst du, dass du immer für andere da sein musst? Dass es ohne deine Hilfe unweigerlich ein schlimmes Ende nehmen wird? Dass du dir Liebe und Anerkennung erst verdienen musst? Nutze diese Hinweise, setze dich mit diesen Überzeugungen auseinander. Dann kannst du dich davon befreien und selbstständiger entscheiden.