Ein Partner ist kein Hilfsprojekt

Es erstaunt immer wieder, wie viele Frauen bereit sind, in ihrer Freizeit als ehrenamtliche Psychiaterinnen und Therapeutinnen unterwegs zu sein. Fachrichtung: komplizierte Kerle. Was für Zeit und Mühe sie oft darauf verwenden, einen potentiellen oder aktuellen Partner zu analysieren und zu verbessern! Dabei hat die eigene Erfahrung immer gezeigt: Am Ende bleibt er, wie er war. Natürlich kann man sagen: „Ich brauche keine Hobbys. Mein Partner ist mein Projekt. Ich habe ihm bereits gezeigt, wie man sich besser anzieht, mit Geld umgeht und im Bett auch mal an andere denkt. Als Nächstes üben wir ‘Bitte’ und ‘Danke’.” 

Natürlich ist es sinnvoll, sich darum zu bemühen, seinen Partner zu verstehen und die Beziehung zu fördern. Zugleich gibt es dafür Grenzen. Sie helfen dir, deinen Partner als einen ebenbürtigen Erwachsenen zu sehen und zu behandeln. Nicht als jemanden, den du zuerst retten, heilen oder ändern musst. Du ersparst dir damit viel Zeit und Enttäuschungen. Damit siehst du auch schnell, wer der Falsche ist: Nicht bereit für eine Beziehung oder zumindest nicht jetzt und mit dir. Dann ist es besser, deine Verluste zu begrenzen. Sonst hast du trotz aller Bemühungen keine Beziehung, sondern ein Pflegeverhältnis. 

Nicht zur Hobby-Psychiaterin werden

So ist es beliebt geworden, sich auffälliges Verhalten mit psychiatrischen Selbstdiagnosen zu erklären. Ist er ein Narzisst („Mangel an Empathie”), ein Borderliner („Missachtung von Gefühlen anderer”) oder ein Psychopath („oberflächlicher Charme”)? Möglich. Vielleicht ist er aber auch kerngesund und hat nur einen problematischen Charakter. Für eine ernsthafte Diagnose müsste ihn ein psychiatrischer Profi befragen und beurteilen. Er hat dafür sechs bis sieben Jahre studiert, danach klinisch praktiziert. Alles andere ist Rätselraten. 

Gleiches tritt darauf zu, unangemessenes Sozialverhalten mit psychologischen Deutungen zu entschuldigen. Ist er wirklich ein „introvertierter Kopfmensch” und nicht nur ein Muffel? „Zu emotional, er empfindet zu tief” oder nur unbeherrscht? „Zu oft enttäuscht und deshalb noch nicht bereit für eine neue Beziehung” oder nicht nur unreif auch weit jenseits der 40? Manche verständnisvolle Frau musste feststellen, dass er sehr wohl für Beziehung, Heirat und Kinder bereit war – nur eben mit einer anderen. Dass er sich sehr wohl benehmen konnte, sobald sein Chef und die Kollegen daneben saß. Wohl doch falsch analysiert.

Manche halten Männerköpfe für Kristallkugeln und wollen unentwegt hineinspähen: Welche Gedanken könnte man herauslesen, welche verborgenen Wünsche finden und erfüllen? Problematische Beziehungen erwecken da einen ganz falschen Ehrgeiz: „Mein Partner spricht nicht mit mir! Das kann nur bedeuten, dass wir uns ohne Worte verstehen.” Autismus ist allerdings eine Krankheit. Kein Lifestyle, den man begeistert anstreben sollte. Du bist nicht dafür da, ständig die Bedürfnisse des anderen zu erahnen und immer für alle mitdenken! Jeder Erwachsene hat selbst die Verantwortung, sich mitzuteilen. 

Als Partnerin solltest du gar nicht in eine dieser Rolle kommen. Männern, die du dir nur mit psychiatrischen Diagnosen erklären kannst, darfst du einen medizinischen Experten empfehlen. Ansonsten solltest du einen Bogen um sie machen. Widme deine Kraft lieber eigenen Aktivitäten, seien sie beruflich oder privat. Sprich früh aus, was du willst – auch wenn es scheinbar heikle Dinge wie ein Heirats- und Kinderwunsch sind. So bist du eine attraktive, selbstständige Partnerin, die für jemanden interessant ist, der deine grundlegenden Vorstellungen teilt. Zu viel Kraft und Zeit für die Falschen hält dich auf diesem Weg nur auf!