Eine Familie ist im Urlaub am Pool. Zu sehen sind im Hintergrund eine Frau, in der mitte 2 Kinder und vorne ein Mann, der sich bisschen Abstand gönnt

Ferien sind auch Zeit für dich

Nach monatelangem Homeoffice mit Partner und Kindern hat mancher diesen Sommerferien mit gemischten Gefühlen entgegen gesehen: „Endlich mehr Zeit mit der ganzen Familie verbringen? Da freue ich mich ja total drauf!” Wer aus Sicherheitsgründen vom Hotel auf eine Ferienwohnung ausgewichen ist, dachte sich vielleicht: „Wie schön, dann kann ich also auch noch im Urlaub einkaufen, kochen und abwaschen!” Ging es in normalen Jahren vor allem gestresst von der Arbeit in die Ferien, ist es diesmal für viele: Familienstress. Das Dilemma: Man reist gemeinsam, obwohl man doch mal ein bisschen Abstand bräuchte!

Für viele sind die Urlaubswochen sowieso die Zeit, in der sie – bewusst oder unbewusst – an ihren Lieben etwas wieder gut machen wollen. Das ganze Jahr über zu viel gearbeitet, oft zu spät nach Hause gekommen? „In den Ferien haben wir endlich Zeit für uns!” Zu wenig mit den Kindern beschäftigt? „Da können wir etwas zusammen unternehmen.” Mit dem Partner? „Einmal sollten wir uns ein Abendessen in einem schicken Restaurant gönnen – nur wir zwei.” Mit sich selbst? „Ich will auf jeden Fall endlich die Bücher lesen, die seit Ewigkeiten auf meinem Nachttisch liegen.” Und all das in 14 Tagen inklusive Ab- und Abreise!

Du musst nichts wieder gut machen oder aufholen

Vielleicht zuerst: Du musst im Urlaub nichts wieder gut machen, nichts aufholen. Du hast das Jahr über getan, was dir möglich war. Wer viel gearbeitet hat, hat sich nicht im Büro mit Cocktails amüsiert, sondern etwas für das Wohlergehen und die Sicherheit seiner Familie getan. Wer wegen wichtiger Termine (oder weil er zu müde war) eine familiäre Verabredung verschieben oder absagen musste, hat sich selbst mindestens ebenso darüber geärgert. Du hast, auch wenn dir das vielleicht nicht immer bewusst ist, ebenso zurückgesteckt, wie es die anderen musste. Du darfst dich ehrlich freuen – ganz ohne schlechtes Gewissen.

Gleichzeitig heißt das auch, dass du nicht verpflichtet bist, nun den Alleinunterhalter für alle zu spielen. Morgens den gemeinsamen Gang zum Frühstücksbuffet dirigieren, dann ein Ausflug mit der ganzen Familie, abends ein Essen bei Kerzenschein mit dem Partner, während im Zimmer schon ungeduldig die Kinder warten. Auch in den Ferien ist es erlaubt, einmal etwas getrennt oder allein zu machen, wenn dir das gut tut und wichtig ist. Das kann die morgendliche Joggingrunde sein, während der du einmal nicht reden willst, eine Stunde mit einem Buch am Pool oder ein Mittagsschläfchen, während die anderen draußen sind.

Erschreckt dich dieser Gedanke, einmal zuerst an dich zu denken? Denke daran, das ist nichts Schlechtes. Egoismus bedeutet, nur an sich zu denken. Abgrenzen bedeutet, auf eine gesunde Balance aus Geben und Nehmen zu achten, um langfristig stark zu bleiben. Den anderen in deiner Familie wird es wahrscheinlich gar nicht viel anders gehen. Du kannst also ganz offen sprechen, ohne dass es ein Drama ist. „Ich brauche mal eine Stunde für mich”, „Unternehmt doch einmal etwas allein, und dann übernehme ich wieder”, „Hier klinke ich mich jetzt mal aus”. Gleichzeitig dürfen sich die anderen das natürlich auch wünschen.

Wer – Partner oder ganze Familie – bisher gewohnt ist, grundsätzlich alles gemeinsam zu machen, wird sich anfangs vielleicht etwas schwer tun damit. Doch gleichzeitig gibst du den anderen damit auch die Möglichkeit, sich einmal um sich selbst zu kümmern, obwohl sie sich vielleicht nicht trauen würden, das offen zu sagen. Du willst am Pool liegen, dein Partner ins Museum? Dann trefft euch drei Stunden später wieder, und die Kinder dürfen wählen, mit wem sie mitmachen. Ihr braucht als Paar mal eure Ruhe? Ermuntert die Kids, mit anderen zu spielen oder nutzt, wenn vorhanden, Betreuungs- und Beschäftigungsangebote. Urlaub ist Erholungszeit für alle, und das schließt dich ganz ausdrücklich mit ein!