zwei Frauen sitzen sich in einem Kaffee gegenüber. Die eine erzählt etwa und die andere hört zu

Ständig über andere klagen nervt alle!

Eine Bekannte hat seit einiger Zeit Schwierigkeiten in ihrer Ehe. Es kracht häufig zwischen ihr und ihrem Mann, und es ist ausschließlich seine Schuld. Lange wird sie das nicht mehr mitmachen, auch wenn bisher noch nichts Konkretes geplant ist! Woher wir das alle wissen? Weil sie in ihren Familien- und Freundeskreis fortlaufend darüber informiert. Fast jeder erhält ihren Echtzeit-Bericht über WhatsApp: Klagen und Beschwerden über ihren Mann in Chats, Sprach- und Videonachrichten. „Du kannst dir nicht vorstellen, was gestern Abend bei uns wieder los war!” Oder: „Langsam reicht’s, ich lasse mir das nicht mehr bieten!” 

Passiert ist weiter allerdings nichts. Sie renovieren gerade die Wohnung und freuen sich auf den verschobenen Sommerurlaub. Ist es doch nicht so schlimm oder wartet sie nur ab? Was sagt ihr Mann, kennt er ihre Beschwerden eigentlich so gut wie wir? Wir wissen es nicht. Selbstverständlich kennen wir auch nur ihre Seite, und so ist es eigentlich unmöglich, etwas sinnvoll zu raten oder zu helfen. Entsprechend sind die Antworten meist verlegene, oft auch leicht genervte Worthülsen: „Das klingt ja wirklich furchtbar! Da musst du jetzt wirklich tapfer sein. Ich schicke dir ganz viel Liebe und positive Energie, drück dich!”

Ein Dilemma für alle Zuhörer

Es ist immer eine große Versuchung bei Beziehungskonflikten, über jemanden zu sprechen statt mit ihm. Sich bei einer Freundin über den Ehemann beschweren, bei Kollegen über den Chef klagen, bei der Schwester über den Bruder schimpfen. Kurzfristig erleichtert dich das zwar tatsächlich. Und, wenn wir ehrlich sind: Es braucht auch weniger Mut, als jemandem direkt ins Gesicht zu sagen, welche Probleme man mit ihm hat. Möglicherweise wehrt er sich, hat eine ganz andere Version der Geschichte – oder kommt am Ende noch auf die Idee, dass es nicht komplett an ihm liegt. Wer will sich denn diesem Risiko aussetzen?

Gleichzeitig verschleppst du mit dieser Strategie aber eine Lösung und verschlechterst die betreffende Beziehung. All die unfreiwilligen Zuhörer stürzen solche Geständnisse in ein Dilemma: Sie wollen helfen, können nicht viel tun, und haben nicht selten Loyalitätskonflikte. Soll man, wenn man auch mit dem Ehemann befreundet ist, ihn einmal beiseite nehmen und ihn bitten, netter zu seiner Frau zu sein? Oder blamiert man sich, weil die ganze Geschichte eigentlich komplett privat ist und überhaupt nicht aus dem Haus gehört? Eventuell stellt sich bei einer offenen Konfrontation heraus, dass man UNS zu viel Neugierde unterstellt.

Sich ständig über andere zu beschweren, entspricht in meinem E-Book „7 Arten, dein Leben zu führen” der Abgrenz-Strategie 2: Gedanklich in einer Welt der Konflikte leben. Sich im Recht fühlen, streiten und sich verteidigen, andere dagegen abwerten und ihre Ansichten als unzutreffend erklären. Ein bisschen funktioniert das. Man macht seinem Ärger erst einmal Luft, das fühlt sich schon fast wie echte Veränderung an. Wenn man selbst vollkommen im Recht ist, muss der andere ja ein ahnungsloser Idiot sein! Auf Dauer ist das anstrengend für alle. Das Problem wird damit zwar immer wieder benannt, aber nicht gelöst.

Die bessere Strategie ist es, immer direkt mit der Person zu sprechen, mit der du etwas klären musst. Das braucht Mut und Geduld, bringt dich aber voran. Du kannst deine Ansichten und Wünsche an der richtigen Stelle platzieren, über mögliche Lösungen und Kompromisse sprechen. Die Beziehung wird schon durch diese Ehrlichkeit und Offenheit besser. Ewiges Schimpfen und Klagen nervt alle, selbst diejenigen, die es tun. Wenn du mit der betreffenden Person dagegen sprichst, auch nachfragst, zuhörst und verhandelst, brauchst du gar keine Zuhörer und Tröster mehr. Du hast die Sache selbst in der Hand!