eine Frau hat den Kopf an der Wand angelehnt und schaut nachdenklich in die Leere

Hör ruhig auf dein Gefühl

Wenn es um Beziehungen geht, ist vieles gar nicht so kompliziert, wie wir es uns manchmal selbst einreden. So ist den meisten Menschen ziemlich früh klar, was sie von dem anderen zu halten haben. Ihr Gefühl sagt es ihnen. „Wenn ich von meiner Freundin zurückkomme, bin ich immer total happy”, sagte mir ein Freund. Das Zusammensein machte ihn glücklich, stärkte sein Selbstbewusstsein und seinen Lebenssinn. Jemand anders berichtete mir: „Mein Chef hat mich total verunsichert. Nach ein paar Monaten hatte ich das Gefühl, ich mache alles falsch, und wurde dadurch wirklich immer schlechter.” Er zog sie total herunter.

Nach Trennungen hört man fast immer Sätze wie: „Ich wusste gleich, dass das nicht funktionieren kann”, „Ich hatte vom ersten Tag das Gefühl, dass er mir nicht die ganze Wahrheit sagt”, „Irgendwas hat nicht gepasst, ich konnte nur noch nicht genau sagen, was es war.” Das gilt für Partnerschaften ebenso wie berufliche Beziehungen, etwa einen neuen Job, den man schon in der Probezeit wieder verlassen möchte. Das Gefühl meldet sich also ganz früh. Warum ignorieren wir es? Der Verstand hatte angeblich die besseren Argumente: Schau es dir doch erst einmal genau an, gibt der Sache wenigstens eine Chance!

Was tun, wenn der Verstand widerspricht?

„Du solltest immer auf dein Gefühl achten. Aber du solltest dich nie nur darauf verlassen“, heißt es in meinem Buch (Seite 151). Was das bedeuten soll: Gefühl und Verstand sind keine gegensätzlichen Wahrnehmungen, sondern ergänzen sich. Dein Gefühl sagt dir, ob deine Werte und Grundüberzeugungen respektiert werden. Dein Verstand weist dich auf praktische Vor- und Nachteile hin. Du spürst beispielsweise, dass deine aktuelle Beziehung keine Chance hat. Gleichzeitig zögerst du, wenn du all die Folgen einer Trennung bedenkst. Unangenehmer Streit, Mühe und Kosten für für eine eigene Wohnung, das Alleinsein.

„Ich habe mir Punkte aufgelistet, was für und eine Sache spricht”, erzählte mir eine Klientin, die ein Jobangebot aus einer anderen Stadt erhalten hatte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie nicht in der Stadt leben wollte. Sie hatte sie sich angesehen, wusste also, wovon sie sprach. Auch den möglichen Arbeitgeber, der einen sehr guten Ruf hatte, fand sie nach den ersten Begegnungen eher unangenehm. „Alle wirkten so angespannt, man merkte richtig, wie unangenehm die Atmosphäre in den Büros war.” Gleichzeitig wäre sie aufgestiegen, hätte mehr verdient und würde dort arbeiten, „wo alle hinwollen”. Was wog nun mehr? Sie sagte ab, ihr war wichtiger, weiterhin bei ihrer Familie und bei ihren Freunden zu leben.

Ähnliche Frage hast du dir wahrscheinlich auch schon gestellt: Worauf hören, wenn Gefühl und Verstand sich widersprechen, wie es immer wieder vorkommt? Meine Empfehlung ist: Kurzzeitig auf deinen Verstand, langfristig auf dein Gefühl. Dein Verstand sagt dir, woran du arbeiten solltest, welche praktischen Aufgaben anzugehen sind, damit du freier entscheiden kannst. Dein Gefühl sagt dir das Ziel, wo du wirklich hinwillst. Es wird sich am Ende immer durchsetzen, weil jeder nach seinen Grundüberzeugungen leben und sich gut fühlen will. Wenn du dich – auch einer guten Sache zuliebe – immer verleugnen musst, ist das unmöglich.

Du darfst dich also ermutigt fühlen, auf dein Gefühl zu vertrauen, insbesondere, wenn es um private oder berufliche Beziehungen geht. „Passt das, könnte das funktionieren?” Meist wirst du es schnell wissen, dein Gefühl führt dich wie ein Kompass in die richtige Richtung. Lass dich nicht verunsichern, wenn dein Verstand etwas anderes sagt. Auch er hat recht: Er weist dich auf eventuelle Umwege hin, warnt dich vor möglichen Sackgassen. Kein Weg führt ganz gerade zum Ziel, fast immer kommt hier eine Kurve, da ein Schlenker. Folgst du deinem Gefühl, gehst du langfristig trotzdem in die richtige Richtung und wirst gut ankommen.