Keine Zwangsfreundschaften auf Social Media!
Eine Freundin traute kürzlich ihren Augen nicht, als sie den Absender einer E-Mail in ihrem Postkasten las. Ihr schrieb ein Mann, mit dem sie vor mehr als 20 Jahren eine kurze und unspektakuläre Beziehung gehabt hatte, an die sie sich kaum noch erinnerte. Der Kontakt hatte damals recht schnell abgebrochen. Es gab nichts mehr zu besprechen. Ihre Leben gingen unabhängig voneinander weiter. Nun diese Nachricht. Vertraulich im Ton und mit angefügten Fotos aus seinem Alltag, als wären sie langjährige Freunde. Auf Facebook und LinkedIn hatte er ihr auch bereits Kontaktanfragen geschickt, wie sie danach feststellte.
„Früher gab es eine gesunde Erosion der Beziehungen: Irgendwann war die Nervensäge aus der 8. Klasse aus dem eigenen Leben verschwunden, hatte der komische Kollege aus dem ersten Job die Firma gewechselt”, heißt es in meinem Buch (Seite 99). „Jetzt muss man ständig damit rechnen, dass sich all die Schatten der Vergangenheit mit einer Freundschaftsanfrage wieder melden.” Beim Datenschutz wird immer nur von der Überwachung durch US-Internetkonzerne und die Regierung gesprochen. Dabei schnüffeln da noch ganz andere Leute – vom Ex-Mann bis zur früheren Lehrerin.
Geisterfahrer auf dem Datenhighway
Im Social-Media-Zeitalter ist jeder nur noch eine Google-Suche und einige Mausklicks entfernt. Eine Bekannte erlebte, dass ein verunglücktes Tinder-Date tatsächlich die Nerven hatte, sie erst auf LinkedIn zu stalken, dann ihre Büronummer über Google herauszufinden und sie während ihrer Arbeitszeit anzurufen, um ihr am Telefon eine zweite Verabredung aufzudrängen. Heute stellen sich plötzlich ganz neue Fragen. Nicht nur: Wie wimmle ich unerwünschte Geisterfahrer auf dem Datenhighway höflich, aber wirksam ab? Sondern auch: Wie ehrlich muss – oder darf – ich sein, wenn ich ihnen die Gründe darlege?
Es ist wahrscheinlich unvermeidbar, dass sich bei dir Menschen mit einer Kontaktanfrage oder Nachricht melden, mit denen du selbst dein virtuelles Leben nicht mehr teilen willst. Nicht zwingend, weil du etwas gegen sie hättest oder ihr etwa zerstritten wärt. Vielleicht bist du nur einfach nicht daran interessiert, dass eine ehemalige Mitschülerin aus der Grundschule nun fortlaufend deine privaten Fotos auf Instagram durchklickt, dir von ihrem Kind erzählt oder ein früherer Nachbar jetzt ständig auf WhatsApp mit dir chatten will. Grundregel: Entscheide so frei, wie du es auch im persönlichen Kontakt tun würdest.
Du wählst aus, mit wem du deine Freizeit verbringen möchtest. Es ist absolut akzeptabel, dass du Online-Freundschaftsanfragen ablehnst. Du kannst auf andere Profile von dir verweisen. Beispiel: „Instagram ist nur für meine Familie und ganz enge Freunde. Lass uns doch auf LinkedIn verbinden. Dort habe ich meine beruflichen Kontakte.” Aber es ebenso möglich, sich überhaupt nicht digital mit jemandem zu verbinden. Selbst wenn es frühere oder aktuelle Familienangehörige, Freunde oder Kollegen sind. Wenn du eine diplomatische Ausrede brauchst: „Ich rede lieber persönlich mit dir, das bedeutet mir viel mehr.“
Wenn du tiefergehende Gründe für dein Nein hast, ist es durchaus möglich, dass du eine längere Erklärung gibst. Beispiel: „Unsere Trennung war für mich damals ziemlich schwierig. Ich möchte nicht immer wieder daran erinnert werden, wenn ich Dich nun ständig auf Facebook wiedersehen möchte. Bitte akzeptiere deshalb, dass ich Deine Freundschaftsanfrage nicht annehme. Ich wünsche Dir aber alles Gute.” Ein Freund schrieb gerade so einen Brief, er fühlte sich erleichtert, dass diese längst fälligen Worte einmal ausgedrückt waren. Eine Social-Media-Absage ist nicht leicht, tut dir aber gut.