Klares Nein zu Chat-Nervensägen

Haben wir nicht inzwischen alle diesen Freund oder Bekannten, der uns regelmäßig mit rätselhaften Chat-Nachrichten auf Facebook oder WhatsApp nervt? Meistens ist es nur der Link zu einem Artikel oder Video – ohne Anrede oder jede weitere Erklärung. Ganz so, als würde sich alles mit nur einem Blick darauf erklären. Aha, endlich die Nachricht, die all meine Fragen beantwortet! Wer Glück hat, bekommt noch eine eilige Aufforderung dazu wie:  „Typisch mal wieder!”, „So kann das nicht weitergehen” oder „Anschauen und teilen!!!” Rätselhaft ist bei diesen Botschaften jedoch nur eins: Was soll man dazu sagen?

Die Meinungen anderer Leute können durchaus interessant sein. Wer musste nicht schon eine lange Zug- oder Busfahrt hindurch ein Handygespräch mithören und war irgendwann versucht, dem Mitreisenden auf die Schulter zu klopfen: „Könnten Sie bitte auf Lautsprecher schalten? Ich würde jetzt doch gern auch einmal die andere Seite der Geschichte hören.”
Der Inhalt der Chat-Nachrichten ist jedoch völlig vorhersehbar und langweilig: Die Welt wird wieder einmal demnächst untergehen, auf jeden Fall zumindest das eigene Land, und die Regierung tut nichts oder das falsche. Nur die Gründe dafür wechseln.

Das würde man sich sonst auch nicht bieten lassen

Wenn jeder Gesprächspartner nur einen Tastendruck entfernt ist, dann ist die Versuchung natürlich groß, ihm jeden halbgaren Gedanken sofort zuzuschicken. So spontan könnte man sich noch nicht einmal im Supermarkt oder in der Stammkneipe aussprechen. Da müsste man zumindest erst einmal „Guten Tag” sagen, nach dem Befinden des anderen fragen und gelegentlich sogar zuhören. Da machen es Online-Chats viel leichter, und der Empfänger kann sich noch nicht einmal wehren. Flups, ist die nächste Benachrichtigung da, und das blaue Häkchen bei WhatsApp verrät dummerweise, dass man es schon gelesen hat.

„Auf Social Media trifft man Leute wieder, mit denen man eigentlich nichts mehr zu tun haben wollte”, steht in meinem Buch „Ich mach da nicht mehr mit”. Nicht ohne Grund habe ich dort ein ganzes Kapitel (ab Seite 93) den Schwierigkeiten der Online-Kommunikation gewidmet. Eigentlich wollte man bestimmte Leute aus der Grundschule nie wiedersehen. Auch auf gewisse frühere Arbeitskollegen hätte man gut verzichten können, seit man nicht mehr für das tägliche Zusammensein bezahlt wird. Auf Facebook, Instagram, WhatsApp und Skype finden sie einen aber auch noch Jahrzehnte später wieder. Keine Chance!

Ich möchte dich an dieser Stelle ermutigen, auch online so selbstbestimmt aufzutreten, wie du es in anderen Situationen machen würdest. Ein paar nervige Nachrichten kannst du immer ignorieren. Wird es aber zu viel, wirkt ein Anruf oder eine Sprachnachricht enorm: „Ich verbitte mir, dass du mir diesen Unsinn schickst!” Es ist zwar unangenehm, aber durchaus eine Option, auch Familienmitglieder, Freunde oder Kollegen auf WhatsApp oder Facebook zu blockieren. Eine diplomatische Begründung wäre: „Ich rede lieber persönlich mit dir!” Weniger nett, dafür klar: „Du hast dich online einfach nicht unter Kontrolle!”

Fordere also den Respekt und die Höflichkeit ein, die du erwartest. Keine Gespräche mit Leuten, die ein Mindestmaß an Anstand und Interesse auch an dir vermissen lassen. Der letzte Ausweg ist es immer, gewisse Plattformen ganz zu verlassen. Mir persönlich ist beispielsweise Twitter zu harsch. Ich schaue gelegentlich, was dort zu diesem oder jenem Thema diskutiert wird. Mitglied möchte ich in diesem Club lieber nicht sein. Diese Freiheit hast du also immer: Du entscheidest, was und mit wem du sprichst – und auch wo. Und genauso kannst du andere auf stumm schalten, wenn sie sowieso nichts zu sagen haben.

PS: Diese wöchentliche Kolumne kannst du hier kostenlos abonnieren.