Wieso haben manchen Leute ständig Probleme?

Schon wenige Tage nach Beginn der Corona-Krise ist dir wahrscheinlich auch aufgefallen, wie unterschiedlich jeder vorbereitet war. Mancher ist bisher zweimal jährlich in die Ferien gefahren. Schon nach zwei Wochen Kurzarbeit oder geschlossenem Geschäft war er aber praktisch pleite. Andere hatten zwar einen vollen Kleiderschrank mit den schönsten Stücken von Zara & Co. Eine Gemüsekonserve oder Nudelpackung fand sich dagegen nicht im Haus. Viele schwärmten noch vor kurzem von ihrem Partner und den Kindern. Nur die Lehrer würden die Kleinen völlig falsch verstehen! Ein paar gemeinsame Wochen später: „Ich könnte die alle auf den Mond schießen!”

Eine Bekannte lebte wegen Corona erstmals den ganzen Monat in der Wohnung ihres neuen Freundes. Stolz berichtete sie, dass sie sich „nur zweimal gestritten” hätten, als wäre das eine kleine Sensation. In unserer Lokalzeitung berichtete eine Politikerin, wie schwer es sei, nun jeden Abend mit ihrer langjährige Partnerin zu verbringen: „Normalerweise bin ich vielleicht ein oder zwei Abende pro Woche da.” Der Journalist verständnisvoll: „Wurde es auch mal laut?” Antwort: „Es kann auch mal anspruchsvoll sein. Auf der anderen Seite entwickelt man auch eine Form von Krisenresistenz.” Hat Romantik je ansteckender geklungen?

Jeder darf die Fehler machen, die er für richtig hält

„Das Erwachsenwerden hat natürlich seine Vorteile, das hast du mit spätestens 30 erkannt”, heißt es in meinem Buch gleich im ersten Kapitel. „Das erste eigene Auto, eine Wohnung beziehungsweise ein WG-Zimmer, wenn du dich für einen ‚kreativen’ Beruf entschieden hast, und auch, dass du deine Krankenpflichtversicherung nun selbst bezahlen darfst.” Zu den Vorteilen des Erwachsenseins gehört auch: Eigene Entscheidungen treffen zu können. Jeder darf die Fehler machen, die er selbst für richtig hält. Der Nachteil der Sache: Als Erwachsener muss jeder auch weitgehend selbst mit den Konsequenzen klarkommen.

Natürlich erlebst du oft, wie viele versuchen, diesen zweiten Schritt auszulassen. Am Ende müssten sie ja noch was dazulernen und ihr Verhalten ändern! Stattdessen: „Kannst du mir nicht helfen”, „Du könntest mir doch was borgen, ich gebe es auch bestimmt zurück”, „Ich muss mich einfach mal ausheulen bei dir!” Ab einem gewissen Lebensalter fällt dir auch auf, dass manche immer neue Probleme haben. Andere dagegen sollen immer helfen. Was für ein komischer Zufall! Die Wahrheit: Wer immer die Konsequenzen seines Handelns abgenommen bekommt, hat natürlich gar keinen Grund, irgend etwas zukünftig anders zu machen.

Frage nach, anstatt sofort deine Hilfe anzubieten

Ich möchte dich zu einer neuen Strategie ermutigen. Wenn dir jemand wieder einmal von Problemen erzählt, frage offen und interessiert nach, anstatt sofort Hilfe anzubieten. Es ist schon eine dankenswerte Unterstützung, dass du dir das überhaupt anhörst. Denn du hast sicher auch eigene Dinge, die dich beschäftigen. 90 Prozent des Helfens besteht bereits darin, einfach nur da zu sein. Geduld mit jemandem zu haben, den man gern mag oder gar liebt, ohne all dessen Probleme lösen zu wollen. Wenn du Fragen stellst, erfährst du, was dein Gegenüber bisher überhaupt unternommen hat, um sich selbst zu helfen.

Danach kannst du immer noch eingreifen, wenn du das möchtest. Aber beschränke das auf akute Krisen oder Ausnahmefälle. Manche Menschen müssen erst ihre Lektion lernen, damit es endlich besser wird. Dazu gehören Einsichten wie: Erkennen sie, was sie selbst verschuldet haben oder geben sie immer nur anderen die Schuld? Klagen und fordern sie nur oder werden sie auch aktiv? Erkennen sie ihre Möglichkeiten und nutzen sie diese? Wenn du aus guten Absichten heraus zu schnell hilfst, verhinderst du diese unangenehmen, aber wichtigen Denkprozesse. Erlaube anderen, ihre Versäumnisse selbst zu korrigieren, auch wenn das Zeit braucht.